Es gab im Vorfeld der großen Facebook-Party, zu der letztlich rund 1.600 Personen ihr Kommen angekündigt hatten, eigentlich nur drei Szenarien, wie der Abend ablaufen könnte: Entweder es bleibt weitestgehend friedlich (ein paar Zwischenfälle gibt es bei solchen Veranstaltungen immer) und es wird eine tolle Erfahrung für die Ronsdorfer. Andererseits kann auch das Wetter (es waren Regenschauer angekündigt, die auch über Ronsdorf hinweggezogen sind) seinen Teil dazu beitragen und die Party vorzeitig beenden oder nur in einem kleinen Kreis stattfinden lassen. Oder aber es kommt zu größeren Zwischenfällen, es eskaliert und die Polizei muss eingreifen. Dass es schließlich zu letzterer Variante kam, bedauern alle.
Die „Ascheweg Night 2011“ hatte zunächst wirklich locker und fröhlich begonnen. Bereits rund eine Stunde vor dem „offiziellen“ Veranstaltungsbeginn hatte sich eine größere Gruppe Jugendlicher im Ascheweg versammelt. Und im Laufe des Abends wurden es dann auch immer mehr: Nach Polizeiangaben geht man von rund 800 Besuchern aus. Wenn man bedenkt, dass bei der abgesagten „Thessa-Party“ in Hamburg von 16.000 angekündigten Mitfeierern „nur“ 1.600 gekommen waren, ist das eine äußerst gute Quote. Und die Worte von Stadtsprecherin Martina Eckermann klingen da fast schon wie Hohn: „Die 50 Leute, die da kommen werden“, hatte sie gegenüber dem SonntagsBlatt zu Protokoll gegeben. Sollte das reine Deeskalationspolitik sein? „Es waren 50 bis 500 Personen prognostiziert“, erklärte hingegen Polizeisprecher Detlev Rüter noch am Freitagabend. Und man hatte durchaus mit einem ruhigen Verlauf der Feier gerechnet.
Kurz nach 21.00 Uhr kippte die Stimmung allerdings ein wenig: Am Laufe des Leyerbaches neben dem Kaufpark wurden auf einer kleinen „Insel“ bengalische Feuer entzündet. Auch einige Feuerwerkskörper flogen. Es gab die ersten von – laut Feuerwehr – insgesamt 16 Verletzten, die Polizei griff zu dieser Zeit aber noch nicht ein. Eine Gruppe von Ordnungshütern der Bereitschaftspolizei postierte sich allerdings an der Kreuzung In der Krim / Zandershöfe – und lenkte so die Aufmerksamkeit einiger „Feiernden“ auf sich, welche die Beamten mit Sprechchören „begrüßten“”. Als dann jedoch gegen 21.25 Uhr eine Bierflasche in Richtung der Polizei flog und kurz vor den Einsatzkräften auf dem Boden aufkam, wurde gehandelt: Acht Beamte stürmten in die Menge, „um bestimmte Personen herauszuholen“, wie Polizeisprecher Rüter erklärte. Zahlreiche Polizisten folgten unter Einsatz von Pfefferspray, um den Grünstreifen komplett abzusperren und die sich dort aufhaltenden Personen einzukesseln. „Wir wollten doch nur feiern“, erzählte eine junge Augenzeugin später: „Das hat auch den Unbeteiligten richtig Angst eingejagt, als die da angerannt kamen.“
Nach und nach wurden dann die anfangs 25 bis 30 Polizeibeamten vor Ort durch weitere Kollegen von Hundertschaften aus dem gesamten Land verstärkt. Während der Eismann seinen Standort aufgeben musste, kamen immer mehr Kranken- und Polizeiwagen in die Ronsdorfer Innenstadt. Lange Zeit blieb die Situation ungewiss: Durften die noch Anwesenden auf der Straßenfläche im Ascheweg weiter feiern? Schließlich kamen auch immer mehr Feierwillige – auch aus anderen Wuppertaler Stadtteilen, aus Remscheid und sogar Autos mit Aachener Kennzeichen (wo eine Facebook-Party am gleichen Abend verboten worden war) mit Autos und Bussen nach Ronsdorf, während die ersten in Gewahrsam genommenen mit einem Bus der Stadtwerke in Richtung Unterbarmer Polizeipräsidium verbracht wurden.
Gegen 23.00 Uhr beendeten die Ordnungskräfte allerdings die Facebook-Party komplett und räumten – auch unter dem Einsatz von Schlagstöcken, Pfefferspray und Hunden gegen renitente Störer – das gesamte Arreal zwischen der Straße In der Krim und der Lüttringhauser Straße. Wer mittendrin war, konnte durchaus den Eindruck gewinnen, bei Krawallen in Berlin oder Hamburg zu sein, wenn sich die Menge flüchtend in Gang setzte. Vereinzelt sah man schreiende oder zusammengesackte junge Leute, die eine Ladung Pfefferspray mitbekommen hatten und nichts mehr sehen konnten. Die Erstversorgung fand aber nicht an beiden Enden des Aschewegs, sondern nur im oberen Teil statt. Der Busverkehr – bei den Wuppertaler Stadtwerken (WSW) hatte man für den Rücktransport der Besucher keinerlei Vorkehrungen getroffen – war für rund drei Stunden wegen dieser Maßnahmen komplett eingestellt, die Innenstadt dicht. Insgesamt wurden während der „Ascheweg Night“ im Laufe des Abends nach Polizeiangaben 41 Personen in Gewahrsam genommen und drei mit Strafanzeigen wegen Körperverletzung, Landfriedensbruchs und Widerstandes gegen die Staatsgewalt bedacht. Der Aufrufer zur Party bei Facebook konnte bislang nicht ermittelt werden.
Entsprechend hoch kochten auch die Emotionen auf der Eventseite beim sozialen Netzwerk: Während die einen die Schuld für die Eskalation auf die Polizei schoben, kritisierten andere das Verhalten einiger Teilnehmer: „Es muss immer irgendwelche Idioten geben, die sich zu saufen, rumpöbeln, randalieren etc. und dann ist es kein Wunder, dass die Ordnungshüter das ganze Event dicht machen“, schrieb eine Besucherin. Dem pflichtete ein anderer Nutzer bei: „Wenn ich jedoch als stark alkoholisierter Mensch […] Flaschen werfe, die Polizisten beleidige oder sogar noch handgreiflich werde: Dann bin ich selber schuld. Und dass die Polizei dann nicht mehr differenzieren kann, wer […] gut und wer böse ist, ist doch klar.“
Auch Polizeisprecher Detlev Rüter zeigte sich über den Verlauf des Abends überrascht: „Am Anfang war die Feier ja total friedlich“, lobte er die Anwesenden. Dann hätten sich jedoch 30 bis 35 Jugendliche abgesondert, bengalische Feuer angezündet und „Stress gemacht“, was letztlich im Flaschenwurf auf die Beamten endete. Da hätten die Störer dann aus der Menge “herausgelöst” werden müssen und man sei mit einigen Beamten hinein gegangen. „Die Mehrzahl hat die Maßnahme in dieser Art nicht wahrgenommen“, musste auch Rüter zugeben, sodass es im Anschluss aufgrund des mangelnden Verständnisses auch zu Provokationen und Ärger gegenüber den Beamten gekommen sei.
Was bleibt nun von der Ronsdorfer Facebook-Party? Besonders herausstellen muss man natürlich, dass der Polizeieinsatz letztlich nicht durch die gesamte Menge, sondern durch Einzelne ausgelöst wurde. Es war eine kleine Gruppe, die durch Aktionen dafür sorgte, dass die Polizei einschreiten musste. Ein Flaschenwurf reicht da durchaus schon aus. Denn wenn der zugelassen wird, können wohl anschließend noch weitere folgen – denn die Beamten unternehmen ja nichts. Und dass sich die Situation nach der Polizeiaktion durchaus hochschaukeln kann, wenn auch (gegebenenfalls unter Alkoholeinfluss stehende) Unbeteiligte durch Pfefferspray oder Schlagstöcke getroffen werden, ist fast schon klar. Ausschließlich von Jugendlichen zu reden, die nur „Randale“ machen wollen, wie Bezirksbürgermeister Lothar Nägelkrämer bei Radio Ronsdorf die Situation aus der Ferne – er weilt derzeit in einer Reha-Maßnahme am Bodensee – beschrieb, kann allerdings keine Rede sein. Es waren die „üblichen Verdächtigen“, nach Polizeiangaben durchaus der „Fan“-Szene um den Wuppertaler SV Borussia zuzuordnen, die im Mittelpunkt des Geschehens standen.
Dass es überhaupt eine große Facebook-Party in Ronsdorf gab, wirft natürlich auch wieder die Frage auf, was in Ronsdorf den Jugendlichen und Heranwachsenden geboten wird. Bezirksbürgermeister Nägelkrämer äußerte ja, dass es genügend Möglichkeiten im Rehsiepen, in der Scheidtstaße und bei den offenen Türen der Kirchen gäbe, aber das reicht bei Weitem nicht aus. Was wird dort denn abends geboten? Ist das auch wirklich für die Zielgruppe der 16- bis 25-Jährigen? Eher kaum. Da bleibt fast nur der Ascheweg, wo man sich allwöchentlich zum Alkoholtrinken verabredet – oder die Reise ins Tal und nach Remscheid. „Es gibt keine vernünftigen Möglichkeiten für Jugendliche über 18 Jahre in Ronsdorf! Es war keine Randale, es war eine normale Feier“, schrieb ein Ronsdorfer bei Facebook.
Zur Größe der Facebook-Party in Ronsdorf müssen sich aber auch die etablierten Medien in Wuppertal einige Fragen gefallen lassen. Sicherlich ging die Einladung im Internet auch so schon rund, es war Gesprächsthema unter den Jugendlichen überall im Tal. Aber wenn dann Radio Wuppertal zwei Tage vor dem Event bei Facebook offen fragt: „Wird es Chaos geben? Ist das eine coole Idee? Wie finden Sie das? Gehen Sie sogar hin?“ und in seinem Programm regelmäßig darauf hinweist und die Westdeutsche Zeitung (WZ) bei ihrem Twitter-Account einen direkten Link zur Veranstaltungseinladung postet und diesen weiter verbreitet, dann stachelt man die Leute an, dort hinzukommen. Dann wird die „Party“ zu einer unkalkulierbaren Großveranstaltung für Ordnungsamt und Polizei – und das, ohne einen Veranstalter zu haben. Die WZ hat ihren Link nach der Diskussion mit einem Wuppertaler Twitter-Nutzer diesbezüglich gelöscht. Einsicht war aber nicht vorhanden: Das sei „Service“ gewesen, hieß es von der Onlineredaktion. Wir bei RONSDORF|NET hatten die Eventseite in unserem warnenden Artikel vor der Veranstaltung auch verlinkt – allerdings „versteckt“ und nur als Beleg für die zitierten Aussagen. Und wenn 1.600 potentielle Teilnehmer auf Facebook für die Anwohner ein Gesicht bekommen, dann weiß man, womit man es zu tun hat.
Letztlich kann Ronsdorf froh sein, dass die „Ascheweg Night 2011“ noch recht glimpflich abgelaufen ist. Ein paar Schlagzeilen auch in überregionalen Medien, dann wird sich die Aufregung schnell gelegt haben. Auch wenn die Bevölkerung in Ronsdorf eher ein wenig älter ist, man sollte diesen Anlass dennoch nutzen und die Angebote für die junge Facebook-Zielgruppe noch einmal auf die Agenda setzen. Es gibt auch Jugendliche in Ronsdorf – das ist keine Randgruppe! Das nächste Mal nicht auf der Straße, in etwas kleinerem Kreise und mit einem Veranstalter – dann wäre die Gefahr einer Eskalation unter den Teilnehmern etwas geringer.
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